Ohne weitere kritische Stellungnahmen aus den politischen Gremien und ohne weitere Nachfragen in der Öffentlichkeit sind in den vergangenen Wochen zwei lange angekündigte Termine für die Zukunft unserer Krankenhauslandschaft (einmal mehr) zu Makulatur erklärt worden.
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ? Kommt zwei Jahre später – die braucht aber sowieso niemand mehr!
Der Zeitpunkt, an dem endlich eine „wirklich entscheidungsreife“ ( “belastbare” , “gesicherte”, nicht “spekulative” ..) Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Vorhabens „Zentralklinik“ vorliegen soll, ist nun Ende 2022. Diese Berechnung war schon für 2020 angekündigt worden. Nimmt man die Aussagen von Landrat, Gremienvertretern und Trägergesellschaft ernst, dann hinge von diesem Zahlenwerk nicht weniger ab als die finale Entscheidung über die Umsetzung des Klinikprojekts: „Machbar – ja oder nein?“
Am 15.07.2020 berichtete die Ostfriesischen Nachrichten dazu:
“Noch in diesem Jahr wird für die geplante Zentralklinik die Wirtschaftlichkeit überprüft. Das kündigte Claus Eppmann, Geschäftsführer der Trägergesellschaft, in der Sitzung des Auricher Kreistags am Dienstag an. Dabei werde ermittelt, wie hoch die Förderquote des Landes sein muß, um das Projekt realisieren zu können. „Es wird einen Punkt geben, an dem wir sagen müssten, dass es nicht geht“, so Eppmann. Würde das Land z.B. nur 50% als Fördermittel zusagen, wäre die Zentralklinik gescheitert. Denn dann könnten Zins und Tilgung für die nötigen Kredite nicht erwirtschaftet werden. „Das Projekt lässt sich nur mit einer sehr hohen Förderquote realisieren“. Das müsse dem Land immer wieder verdeutlicht werden(….) „(Es)“ bestehe durchaus die Möglichkeit, dass die Finanzen es nicht hergäben. Wäre das Ergebnis schon klar, könnte man sich die Wirtschaftlichkeitsrechnung sparen.“
Am 1.8.2020 fragten die ON Landrat Olaf Meinen:
„Aber die Planung ist schon relativ weit fortgeschritten jetzt. Ein Grundstück wurde schon gekauft, bis 2022 wird sehr viel Geld investiert. Bis dahin wird es keine Kostenschätzung geben ?“ — Der Landrat antwortete : “Es wird noch in diesem Jahr eine Wirtschaftlichkeitsberechnung geben. Der beste und der schlimmste Fall sollen bis zum November dieses Jahres durchgerechnet sein. Und die Wirtschaftlichkeit ist der entscheidende Punkt.“
Diese für Ende 2020 von Eppmann und Meinen auch in einer Kreistagssitzung vollmundig angekündigte Wirtschaftlichkeitsberechnung („best case / worst case-Szenario“) , von der nichts weniger als die „Umsetzbarkeit der ZK“ abhängen soll, hat es bis heute nicht gegeben. Wenig überraschend, denn es gibt es vom Land bis zur endgültigen Bewilligung nur Aussagen zur möglichen Höhe der Beteiligung an den Kosten. Uthwerdum steht aktuell mit vielen anderen Klinikprojekten im Land NDS auf einer mehrfach überzeichneten Liste von Krankenhausinvestitionsvorhaben für die kommenden Jahre. Der Finanzminister hat die stationäre Versorgung als einen TOP-Kandidaten für (als unumgänglich angesehene) Sparmaßnahmen in den bevorstehenden Jahren bezeichnet. Gremienvertreter in Aurich und Emden haben sich derweil im Wahljahr werbewirksam, aber immer weiter abseits jeder Realität, in ein “Wünschdirwas“ zur Förderquote hochgesteigert : 75%? 90%? Wer glaubt am Höchsten? Es ist nur folgerichtig, wenn im Oktober 2021 ein weiteres Jahr Planung und Vorlauf zum “entscheidenden” Zahlenwerk angekündigt wird. „Entscheidungsfähig“ will man Ende 2022 sein — an dem Tag, an dem das Land seinen konkreten Anteil an der Fördersumme bekannt gibt.
Landrat und auch Vertreter der großen Kreistagsparteien haben sich offenbar von dem Gedanken verabschiedet, die Umsetzung des Projekts überhaupt noch an irgendwelchen – auch nur als Szenarien durchgespielten — finanziellen Voraussetzungen messen zu wollen. Der bedingungslose Wille , das Projekt um jeden Preis weiterzuführen, auch angesichts immer höherer Kostenschätzungen („Es kostet, was es kostet“ ) wurde immer unverhohlener zum offiziellen Kurs. Dazu gehört auch, die mittlerweile auf die 40 Millionen zulaufenden reinen Planungskosten (öffentlich kommunizierte Zahl von Trägergesellschaft und Politik!) durch das Nachschießen immer weiterer Liquidität für die Trägergesellschaft abzusichern. Am 24.11. werden die Abgeordneten des Auricher Kreistag dazu erneut als Abnicker weiterer 6,5 Millionen € (nur für den LK Aurich, und nur für das erste Halbjahr 2022) gefragt sein. SPD-Fraktionsversitzender Kleen bekennt sich in seinem zustimmenden statement zur Kreditbewilligung entwaffnend offen dazu, daß alle Vorbehalte in puncto Finanzierung „erledigt“ sind: „Dass die Zentralklinik gebaut wird, stehe eben fest. Der Drobs ist gelutscht“.
Der Landkreis leistet sich damit auch im kommenden Jahr einen teuren und hochriskanten Blindflug. Immer tiefer manövriert er sich und seine Bürger in eine unumkehrbare Situation. Für das Management eines Wirtschaftsunternehmens wäre ein solches Vorgehen völlig undenkbar und beispiellos. Eine wohl eher abschreckende Perspektive für den gesuchten, aber augenscheinlich schwer zu findenden kaufmännischen Geschäftsführer. Das erneute Herausschieben der Wirtschaftlichkeitsberechnung ist nur so zu verstehen, daß sie als ernsthaftes Entscheidungskriterium keine Rolle (mehr?) spielt und durch das Prinzip Hoffnung ersetzt worden ist – ein politischer Offenbarungseid. Denn abgesehen von den schon jetzt eingetretenen direkten medizinischen und versorgungsmäßigen Verschlechterungen dieses „alternativlosen“ Projekts: Es sind auch massive finanzielle und soziale Folgen für die Bürger in den Kommunen vorprogrammiert. Augen zu und durch ?
Inbetriebnahme ? Jetzt erst Ende 2028
Ganz nebenbei wurde Anfang Oktober von der Trägergesellschaft auch ein neuer Solltermin für die Inbetriebnahme einer Zentralklinik kommuniziert : der liegt jetzt statt bei Ende 2027 bei Ende 2028. Begründungen für diese Verschiebung gab es nicht — es fragte aber auch niemand danach. Wir erlauben uns, daran zu erinnern, daß von diesem Termin selbstverständlich die erforderliche Mindestverfügbarkeit der bestehenden Krankenhäuser direkt abhängt. Die war in den Verlautbarungen leider kein Thema.
Die medizinische Geschäftsführerin, Frau Dr. Gesang, vermeldete Ende 2020 bei der Vorstellung des sogenannten „Standortentwicklungskonzept“ noch die folgenden Termine (sinngemäß so auch auf www.anevita.de in den Werbeaussagen zum Thema Zentralklinik)
„Bis zur geplanten Inbetriebnahme der Zentralklinik Ende 2027 gilt es, die medizinische Leistungsfähigkeit der Kliniken in Aurich, Emden und Norden vor dem Hintergrund der sich weiter verschärfenden gesetzlichen Rahmenbedingungen sicherzustellen“.
Am 5.10.2021 berichtete hingegen die Lokalpresse (wiederum ON)
„Die geplante Zentralklinik geht Ende 2028 in Betrieb. Davon geht jedenfalls die Trägergesellschaft aus, wie aus einer Mitteilung von Montag hervorgeht. Demnach soll Anfang kommenden Jahrs der Förderantrag beim Land Niedersachsen gestellt werden. Mit einem Förderbescheid rechnet die Trägergesellschaft Ende 2022. Im Jahr darauf soll mit dem Bau ..begonnen werden…(..)“
Wird hier nach dem Motto : “Ist der Ruf erst ruiniert,.. ” gehandelt, daß man sich erlaubt, einfach mal 12 Monate obendrauf zu packen?
Für jeden, der bereit ist, es wahrzunehmen, ist erkennbar, daß die praktizierte „Standortentwicklung“ nichts anderes ist als die Vorwegnahme der Konzentration der Angebote der drei Kliniken ist. Die Palette der noch vorhandenen Grund- und Regelversorgung an den Standorten zu sichern, ist nicht Ziel der Maßnahmen — im Gegenteil. Damit ist – speziell für Norden – die Existenz der Klinik bereits deutlich vor der Verfügbarkeit des Neubaus in Uthwerdum auf dem Spiel steht. Und dann ?