Schon ab Beginn des kommenden Jahres wird sich die UEK Norden am Projekt „Statamed“ (kurzstationäre Versorgung) beteiligen. Das bestätigte die Interimsgeschäftsführung gegenüber den Ostfriesischen Nachrichten am 1.12.22. Mit der Teilnahme an diesem Projekt geht es um nicht weniger als um den Einstieg in die Umwandlung von einem Krankenhausstandort in eine Einrichtung der ambulant-stationären Versorgung. Aussagen der niedersächsischen Gesundheitsministerin am 8.12.22 am Rande des Krankenhausplanungausschusses bestätigen, dass für Norden ab 2023 “ähnliche Pläne” in Angriff genommen werden sollen, wie jetzt erstmals in Bersenbrück, wo dem Träger eines Klinikums für die Umwandlung in ein “Regionales Gesundheitszentrum” freie Hand gegeben wurde. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu Projekten der kurzstationären Grund- und Übergangsversorgung in Deutschland, Stand Juli 2022 berichtete bereits über Norden als “geplanten Projektstandort für StatAMed”, auch in der Projektbeschreibung des Innovationsausschusses des G‑BA taucht die UEK Norden bereits als “Konsortialpartner” auf. Aus diesem Anlass informiert der Förderverein.
Es handelt sich bei “StatAMed” um ein Modellpojekt für eine kurzstationäre, allgemeinmedizinische Versorgung unter Einbindung von Trägern der ambulanten Versorgung. Unter der Führung der AOK Rheinland / Hamburg wird es mit Trägern von sechs Klinikstandorten in NRW und Niedersachsen sowie mehreren Partnern aus den Bereichen „gesundheitspolitische/gesundheitsökonomische Forschung und Politikberatung“ getragen. Es wird durch den Gemeinsamen Bundesausschuß (G‑BA) als Modellversuch für ein neues Versorgungsangebot mit insgesamt 12 Mio. € gefördert, so die AOK.(Laut Quelle G‑BA sind es 10,8 Mio für 45 Monate) Norden soll als einer von drei niedersächsischen (Noch-) Klinikstandorten (vor dem Hintergrund der bevorstehenden Zentralisierung in Uthwerdum) an dem Modellprojekt teilnehmen. Auch die beiden weiteren am Projekt beteiligten niedersächsischen Standorte Sulingen und Bad Gandersheim stehen vor einer Schließung. Nach den wenigen bisher öffentlich kommunizierten Vorstellungen soll bereits ab 2023 mit einem „Umbau“ der UEK Norden in Richtung einer solchen Klinik für kurzstationäre Versorgung begonnen werden.
Die AOK befürchtet im Zuge der Zentralisierung von Klinikstandorten und dem geplanten Schließen kleinerer bzw. ländlicher Krankenhäuser Lücken in der „wohnortnahen und bedarfsgerechten Versorgung“. Außerhalb der neu entstehenden Großkliniken sieht sie (völlig zurecht) insbesondere für ältere Patienten einen nicht gedeckten Bedarf nach einer angemessenen stationären pflegerischen Rund-um-die Uhr-Versorgung für kurze Zeit. „Statamed“ soll dieses Angebot modellhaft sicherstellen. Dazu soll „rund um die Uhr“ ein „Versorgungsnetz“ aus Arztpraxen, Rettungsdiensten, Pflegeeinrichtungen, Klinikärzten und Pflegefachkräften aufgebaut werden. Bei dem stationären Anteil dieses „Netzes“ geht es ausdrücklich nicht um klassische klinische Leistungen für die gesamte Bevölkerung, wie die Notfallversorgung , Intensivversorgung und internistische oder chirurgische Behandlungen, so wie man sie aus der bisherigen stationären Grundversorgung kennt. Diese sollen dem Patienten zukünftig nicht mehr offenstehen.
Der Innovationsausschuss des G‑BA beschreibt das Modellprojekt als Erprobung einer “neuen Versorgungsform” und als “Alternative zur derzeitigen stationären Grundversorgung”. Damit wird der Eindruck erweckt, dass das Angebot einer “Statamed”-Einrichtung eine gleichwertige, womöglich sogar effektivere Alternative zur Versorgung akut erkrankte Patienten sein könnte. Dies paradoxerweise, obwohl viele der medizinischen Leistungen eines kleineren ländlichen Krankenhauses, so wie man es (bisher noch) kennt, im Angebotsspektrum einer Statamed-Klinik ausdrücklich nicht mehr enthalten sein sollen. Diese sollen ja zukünftig ausschließlich an einem zentralisierten Klinikstandort stattfinden oder an den ambulanten Sektor abgegeben werden. An die Stelle des Leistungsangebots eines Grundversorgungskrankenhauses für alle soll eine Einrichtung treten, deren Leistung es ist, Patienten aus dem Klinikbetrieb herauszuhalten: “Wenn akut erkrankte und ältere Menschen einer Behandlung bedürfen, werden sie oft per Rettungswagen in die Notaufnahme gebracht und für längere Zeit vollstätionär im Krankhaus versorgt :“Aus medizinischer Sicht wäre es bedarfsgerechter, wenn die Betroffenen für wenige Tage eine pflegerische und ärztliche Rund-um-die-Uhr-Versorgung im Krankenhaus erhielten und danach ambulant weiterbehandelt würden”, so schreibt der Innovationsausschuß des G‑BA in der Projektbeschreibung. Eine Schließung der von der AOK selbst aufgezeigten erheblichen Versorgungslücken für Patienten ländlicher Kliniken im Zuge der Krankenhauskonzentration steht NICHT auf der Agenda von StatAMed. Was aber dann ?
Der Modellversuch soll , so heißt es, “den Patientenpfad(!) durch ein sektoren-übergreifendes kurzstationäres allgemeinmedizinisch-orientiertes Versorgungmodell” “transformieren” . Das muss man wohl als Beitrag verstehen, die Notaufnahmen von Patienten zu entlasten, anstatt die fehlenden Notfallkapazitäten für Patienten sicherzustellen.
Bedeutung für Norden
So zutreffend es ist, dass durch das Schließen der wohnortnahen Kliniken insbesondere für die genannte Patientengruppe massive Versorgungslücken entstehen (sie sind de facto längst eingetreten!): Entscheidend für eine angemessene Gesundheitsversorgung der gesamten Norder Bevölkerung und damit auch der im Zuge von Statamed häufig genannten multimorbiden, vorwiegend äteren Patientengruppen ist die Sicherstellung der personellen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen, und zwar stationär und ambulant. Nur dann, wenn diese Ressourcen tatsächlich verfügbar sind, ist eine Zusammenarbeit in einem wie auch immer gedachten „Gesundheitsnetz“ praktisch möglich. Das ist aber bislang nicht gegeben – das Gegenteil ist seit Jahren der Fall. Jeder weiß, dass die im Zuge des Abbaus der UEK in Norden verursachten Lücken (die sich ja obendrein noch negativ auf das ambulante Umfeld auswirken!) nicht mit einer guten Million Fördermittel aus einem Modellprojekt „kompensiert“ werden können, während parallel die die Leistungen der Grundversorgung am Standort abgebaut werden.
Weiterhin keine Konzepte für den Standort Norden und Null-Kommunikation
Es ist sehr irritierend, aber leider auch bezeichnend, dass die offenbar längst beschlossene Teilnahme Nordens an dem Projekt, wiewohl seit Anfang 2022 angestrebt, von Trägerseite bis letzte Woche mit keinem Wort öffentlich kommuniziert wurde. Genauso wenig wie die seit 2018 von der Geschäftsführung gegenüber Kritik von Norder Politikern und Bevölkerung angekündigte „Konzeption“ für die Gestaltung und Weiterentwicklung des Leistungsangebots in Norden für die Übergangszeit bis zum Start der Zentralklinik. Gibt es beim Träger (außer dem erkennbare Willen, im Vorgriff auf Uthwerdum zusätzlich Bereiche an anderen Standorten zu konzentrieren, also weitere Schließungen in Norden umzusetzen) überhaupt eine solche Strategie für den Norder Bereich? Oder überlässt man nach Jahren des schleichenden Klinikabbaus die Versorgung im Altkreis Norden nun ganz allein den verbliebenen Haus- und Fachärzten?
Erwartungen an den neuen Geschäftsführer und seine Auftraggeber
Vom neuen Geschäftsführer und vom Landkreis als der verantwortlichen Stelle für die gesamte medizinische Daseinsvorsorge erwartet der Förderverein dringend die Vorlage und Umsetzung der seit Jahren angekündigten Konzepte zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung im Altkreis Norden bis zum Start der Zentralklinik.
Informationen zum Projekt „StatAMed“ – Links zu Projektbeteiligten, Zielen, Hintergründen
Die AOK stellt das Projekt wie folgt vor :
Als Muster für das stationäre Angebot wird die „Stadtteilklinik in Hamburg“ (Billstedt/Horn) genannt, diese Einrichtung stellt sich und speziell das Projekt Statamed auf ihrer Internetseite wie folgt vor:
https://www.stadtteilklinik-hamburg.de/de/health-group/statamed
Konsortialpartner des Projekts StatAMed sind die AOK Rheinland/Hamburg (Konsortialführer), die SKH Stadtteilklinik Hamburg GmbH, die Universität Hamburg/Hamburg Center for Health Economics (HCHE), die VivaQ MVZ Mümmelmannsberg GmbH und die Institute for Health Care Business GmbH (hcb) Das Projekt wird in der ersten Stufe in Hamburg, Essen und Niedersachsen umgesetzt. Die Einbindung interessierter Krankenhausträger mit weiteren geeigneten Standorten ist möglich und erwünscht.
Die „Institute for Health Care Business GmbH“ (hcb) erstellt gesundheitsökonomische Studien und bietet Trägern und Managern von Gesundheitseinrichtungen Beratungsleistungen an. Gemeinsam mit dem RWI erstellt die hcb regelmäßig den Krankenhaus Rating Report und den Pflegeheim Rating Report. Geschäftsführer ist der Gesundheitsökonom Boris Augurtzky. Einschlägig zum Thema „statamed“ dazu der folgende Link unter dem Titel „Umwandeln statt schließen: hcb zeigt im Auftrag der Stiftung Münch kleinen Krankenhäusern neue Perspektiven auf“:
https://www.hcb-institute.de/aktuelles/studien-und-reports/#post_175
Das „Hamburg Center for Health economics an der Uni Hamburg unter Leitung des ebenfalls aus Bertelsmann-Studien bekannten Gesundheitsökonomen Jonas Schreyögg berichtet auf seiner Website über dasVorgänger- Referenzprojekt „INVEST Hamburg Billstedt/Horn“ : „Hamburg Billstedt/Horn „als Prototyp für Integrierte gesundheitliche Vollversorgung in deprivierten großstädtischen Regionen“. Dieses Projekt wurde ebenfalls über den Innovationsausschuss des G‑BA gefördert.
https://www.hche.uni-hamburg.de/forschung/transfer/invest.html
DerGemeinsame Bundesausschuß (G‑BA) stellt dieses Projekt wie folgt vor :
https://www.g‑ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1023/